VerpflegungsManagement, 18.01.2024 – Mitte Januar präsentierte der Bürgerrat neun Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungspolitik in Deutschland. Diese reichen von der Forderung nach einem kostenfreien und gesunden Mittagessen für alle Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen über eine Bearbeitung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel bis hin zu Veränderungen in Care-Einrichtungen. Dort soll laut Beschluss des Bürgerrats „der Zugang zu gesunder und ausgewogener Ernährung sichergestellt werden.“
In puncto Mehrwertsteuer wünschen sich die Teilnehmer des Bürgerrats eine Überarbeitung der Definition von Grundnahrungsmitteln. Diese sollte künftig auch Produkte wie pflanzliche Milchersatzprodukte, Fleischersatzprodukte und alle nach Bio-Standards erzeugten Produkte beinhalten, während Zucker aus der Kategorie der Grundnahrungsmittel ausgeschlossen werden soll. Auf Produkte wie unverarbeitetes und tiefgefrorenes Obst und Gemüse in Bio-Qualität, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide sowie Mineral- und Tafelwasser sollte nach Meinung des Rats keine Mehrwertsteuer mehr erhoben werden.
Tierwohlförderung und strengere Lebensmittelkontrollen
Zu den weiteren Empfehlungen zählt darüber hinaus die Entwicklung eines verpflichtenden staatlichen Labels, das für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Lebensmittelprodukte gelten soll. Diese soll sowohl die Bereiche Klima und Tierwohl als auch Gesundheit einzeln berücksichtigen und auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen beruhen.
Auch wünschen sich die Bürgerrat-Mitglieder eine Altersgrenze für den Verkauf von Energy Drinks, mehr Personal für den Bereich Lebensmittelkontrolle sowie eine zweckgebundene Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte zugunsten einer artgerechteren Nutztierhaltung. Als weitern Punkt fordert der Rat für Supermärkte und Discounter die verpflichtende Abgabe von noch genießbaren Lebensmitteln an gemeinnützige Organisationen, die ansonsten im Abfall landen würden.
Gründung und Zusammenstellung des Bürgerrats
Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ wurde durch eine Berichterstatter-Gruppe gegründet, in der alle Fraktionen des Deutschen Bundestages vertreten sind. Die Vertreter der Berichterstatter-Gruppe legten das Thema fest und organisierte die Zusammenstellung des Rats. Dazu wurden in einem ersten Schritt rund 19.300 Personen mit einem Mindestalter von 16 Jahren zufällig über die Melderegister von 82 ausgelosten Gemeinden in ganz Deutschland ermittelt und angeschrieben. 2.220 davon bekundeten ihr Interesse an einer Teilnahme.
Aus diesen Rückmeldungen wurden durch einen Computer-Algorithmus 1.000 mögliche Bürgerräte mit je 160 Teilnehmern zusammengestellt, von denen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im Juli 2023 einen ausloste. Der Algorithmus berücksichtigte bei der Teilnehmerzusammenstellung sowohl Alter, Geschlecht, Herkunft (Bundesland und Gemeindegröße) sowie Bildungshintergrund als auch die Ernährungsweise der potenziellen Teilnehmer. Dadurch sollte eine möglichst heterogene Zusammensetzung sichergestellt werden, die auch die Anteile der Bevölkerungsgruppen widerspiegelt.
Unterstützung durch Experten
Ende September tagten die Mitglieder zum ersten Mal. Dabei erhielten die Teilnehmern eine kurze Einführung zum Thema durch die Abgeordneten der Berichterstatter-Gruppe. Kurze Vorträge und Präsentationen durch Experten sollten sicherstellen, dass alle Teilnehmer über den gleichen Wissensstand zum Thema verfügten. Über die Schwerpunkte ihrer Arbeit und den daraus resultierenden Empfehlungen entschieden die Bürgerrat-Teilnehmer im Anschluss selbst. Im Vordergrund sollten dabei Maßnahmen stehen, die der Deutsche Bundestag beeinflussen kann.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas dankte den Mitgliedern des Bürgerrats: „Demokratie geht uns alle an. Im Bürgerrat ‚Ernährung im Wandel‘ wurde Demokratie gelebt, in einem Klima von Offenheit, Neugier und Mut zum sachlichen Austausch. Ich danke allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, sich tief in das Thema Ernährung einzuarbeiten.“
Weitere Vorgehensweise
Der Bürgerrat übergibt das Bürgergutachten am 20. Februar 2024 an die Bundestagspräsidentin. Danach wird es als Bundestagsdrucksache veröffentlicht und in die parlamentarischen Beratungen gegeben. Dazu soll es zunächst in erster Beratung eine Aussprache im Plenum des Deutschen Bundestages geben.
Anschließend soll der Bericht an die thematisch zuständigen Ausschüsse überwiesen werden. Nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen entscheidet der Bundestag, wie er mit den Ergebnissen weiter umgeht. Die Teilnehmer des Bürgerrats und die Öffentlichkeit werden dann über den Gang der parlamentarischen Beratungen informiert und erfahren, ob Ergebnisse abgelehnt, teilweise oder ganz übernommen werden.
jb