Fresenius
„Jeder Hersteller ist verantwortlich für das, was er tut“
Auf einer internationalen Konferenz der Akademie Fresenius im Juni in Köln diskutierten Wissenschaftler mit Vertretern aus Wirtschaft und Behörden, wie Kontaktmaterialien sicher geprüft und die Vorschriften und Kontrollmethoden europaweit einheitlich geregelt werden können.

VerpflegungsManagement, 18.08.2017 –Auf dem Programm der Konferenz standen aktuelle Lageberichte zu den Initiativen der EU-Kommission und der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) zur Rückstandsanalytik von ‚Food Contact Materials‘ (FCM) sowie Erfahrungsberichte zu neuen toxikologischen Testmethoden.

Koni Grob vom Kantonalen Labor in Zürich, ging hart mit der gegenwärtigen Kontrolle von Lebensmittelverpackungen und anderen Lebensmittelkontaktmaterialien ins Gericht: „Das klassische Europäische Konzept war nicht in der Lage, die Sicherheit der Übergänge in Lebensmittel zu gewährleisten.“ Die Behörden wollten eine Aufgabe übernehmen, die sie nicht leisten können: Nach 40 Jahren ist nur ein Bruchteil dessen erreicht worden, was geplant war, und die Untersuchungsämter überprüfen auf kaum hundert der vielen ins Lebensmittel übergehenden Stoffe.

Der vor einem Jahrzehnt entwickelte Ansatz, die Aufgabe weitgehend den Herstellern zu überlassen, hält Grob für den richtigen Weg, der jedoch bisher kaum umgesetzt wird. „Jeder Hersteller ist verantwortlich für das, was er tut: Vom Lieferanten des einfachen Rohstoffs bis zum Hersteller der endgültigen Verpackung, die sich aus vielen Materialien zusammensetzt.“ Entsprechend sei auch der Hersteller kompetent für die Überprüfung seines Produkts und um gegebenenfalls gefährliche Stoffe oder chemische Umsetzungen zu ersetzen.

Dazu hält Grob Maßnahmen in zwei Richtungen für nötig: Die Behörden müssen Mittel entwickeln, um mit den wenigen verfügbaren Ressourcen eine genügende Überprüfung der Kontrollarbeit der Hersteller zu erreichen und diese auch durchzusetzen. Als zweite Maßnahme sollten jene unterstützt werden, welche solid abgesicherte Materialien einsetzen wollen. Marktkräfte unterstützen die Durchsetzung guter Absicherung. Doch „die Lebensmittelindustrie hat heute kaum Ansatzpunkte, um Lebensmittelkontaktmaterialien mit solider Absicherung zu erkennen und das nötiger Vertrauen in angebliche Absicherung aufzubauen.“

Für die Überprüfung der Materialien oder Stoffe sollten auch private Institute beigezogen werden, die erwiesenermaßen im Stande sind, nach heutiger Wissenschaft die Sicherheit zu kontrollieren. Dies soll freiwillig sein, aufbauend auf der Nachfrage nach abgesicherten Materialien: Ein solide abgesichertes Material sollte sich besser verkaufen lassen. In den Listen für Materialien und Substanzen soll aufgeführt werden, wer die Überprüfung vorgenommen hat.

Wichtiger Gesprächs- und Diskussionspunkt auf der Fresenius-Tagung waren der Nachweis und der Umgang mit Mineralölrückständen in Lebensmittelverpackungen und die neue so genannte Mineralölverordnung, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat.

Durch Lebensmittelverpackungen aus Altpapier, das zum Beispiel Druckschwärze enthält, können Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH = Mineral Oil Saturated Hydrocarbons und MOAH: Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons) in Lebensmittel gelangen. MOSH und MOAH werden leicht aus Lebensmitteln in den Körper aufgenommen und reichern sich im Körperfett und in Organen wie Milz oder Leber an. Die Mineralöl-Verordnung soll Hersteller verpflichten, Lebensmittel in Innenbeutel zu verpacken oder mit Folien an der Innenseite einen Kontakt von Karton und Lebensmittel zu verhindern. Allerdings zielt die Verordnung nur auf Übergänge aus Verpackungen, die unter Verwendung von Recyclingpapierfaser hergestellt wurden, wie Thomas Simat von der TU Dresden betonte. In seinem Vortrag zeigte er auf, dass es zahlreiche Expositionswege für Kohlenwasserstoffe (Hydrocarbons) entlang der Lieferkette gibt.

Die im Tierversuch und in menschlichen Geweben gemessene Zusammensetzung der MOSH zeigt, dass eben die heute tolerant zugelassenen Öle am stärksten akkumuliert werden. Die Klassifizierung der Öle nach Schädlichkeit scheint also dringend überprüfungsbedürftig.

Aus der Kombination der Daten aus Tier und Mensch schließt Grob, dass die Belastung mit MOSH unter das Niveau der für die Jahre 1998-2010 geschätzten Werte gesenkt werden muss. Daraus leiten sich Grenzwerte in kritischen Lebensmitteln von wenigen mg/kg ab. Diese Werte liegen 100-1000-mal tiefer als die heutigen, werden aber durch die Anstrengungen der letzten Jahre nicht mehr wesentlich überschritten.

Für die MOAH ist die Zusammensetzung wichtiger als die Menge, denn mit intensiverer Raffination (vor allem Hydrierung) werden vorrangig die Polyaromaten entfernt, unter denen Kanzerogene vermutet werden. Deswegen sollten schon geringe Mengen wenig raffinierter Öle als kritisch betrachtet werden, z.B. jene, welche für Jute- oder Sisalsäcke verwendet werden. Andererseits sind die MOAH besser raffinierter Öle vielleicht sogar weniger bedenklich als die MOSH, weil sie im menschlichen Gewebe nicht akkumuliert werden.

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