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VdF

Lebensmittel im Fokus

Auf der diesjährigen Fachtagung des Verbandes der Fachplaner Gastronomie Hotellerie Gemeinschaftsverpflegung e. V. (VdF) in Würzburg drehte sich alles ums Essen. Unter unterschiedlichen Aspekten beleuchteten die Referenten eine der vier Stellschrauben beim ganzheitlichen Planen des Systems Küche: die Lebensmittel.

VerpflegungsManagement, 26.06.2013 - „Als Fachplaner verantworten wir das gesamte System Küche, und wir verfügen über vier Stellschrauben, die miteinander interagieren", erläuterte der VdF-Vorstandsvorsitzende Carsten Zellner, zugleich Start- Referent, den über 200 Teilnehmern der 30. Fachtagung des Verbandes. Die vier Hebel sind Personal, Lebensmittel, Technik und Fläche. „Es ist immer ein Balanceakt und unsere ureigenste Aufgabe als VdF-Fachplaner, das Regelsystem Küche so auszutarieren, dass für den speziellen Fall etwas Sinnhaftes entsteht." Anhand konkreter Planungsbeispiele aus den vergangenen 15 Jahren demonstrierte er, wie sich die Faktoren Technik, Fläche, Personal beziehungsweise Know-how und unterschiedliche Conveniencegrade bei Lebensmitteln veränderten, gegenseitig beeinflussen und heute komplett andere und höchst unterschiedliche Küchenwelten entstehen lassen.

Eines der Beispiele: In einem konkreten Projekt kombinierte der Fachplaner für eine Krankenhausküche das System Cook & Chill mit High Convenience. Der Flächenbedarf schlug dabei mit einem außergewöhnlich niedrigen Wert von 0,07 Quadratmeter je Essensteilnehmer zu Buche. In einem anderen Fall setzte Zellner bei denselben Rahmenbedingungen auf einen geringen Conveniencegrad der Lebensmittel. Der Flächenbedarf stieg um mehr als das Doppelte. Bauherren bewerten solche Aspekte zunächst rein wirtschaftlich. Doch wie kommt man zu einer ökologischen Bilanzierung von Lebensmitteln und Prozessen?

Verpackung als Klimakiller

Carl-Otto Gensch vom Öko-Institut in Freiburg zeigte in seinem Vortrag zur Klimabilanz von Tiefkühlkost, dass es stets einen ganzheitlichen Ansatz braucht, wobei am Ende überraschende Ergebnisse aufwarten können. So sind Kühlgeräte aller Art zwar dicke Stromverbraucher, gleich welcher Energieeffizienzklasse auch immer, aber: „Zu berücksichtigen sind alle potenziellen bilanzierbaren Auswirkungen von Treibhausgasen entlang des gesamten Lebenszyklus eines Produkts." So verursachen Verpackung und Distribution bei den selbst zubereiteten Speisen im Haushalt derart viel CO2, dass unter dem Strich Tiefkühlkost für Haushalte in Sachen klimaschädlicher Gase nahezu gleichauf mit frisch produzierten Speisen liegt. Tiefkühlkost ist mithin nicht der erwartete Top-Klimaschädling.

Welche Lebensmittel und welche Technik gehören in meine Küche? Aus Sicht von Torsten Dickau von Nestlé Professional eine Überlegung, die an den Anfang einer guten Küchenplanung gehört und von Fachplanern mit und im Kontext zu lösen sei. So plädierte der Leiter des Nestlé Service Center für einen engeren Schulterschluss zwischen Fachplanern und denjenigen, die Lebensmittel passgenau zu verschiedenen Küchentypen und Köchetypen entwickeln und herstellen. „Wir bauen Speisenpläne nach dem, was wir in den Küchen an Geräten, an Know-how und an Zeit vorfinden," verdeutlichte der Koch und Oecotrophologe den Zusammenhang. Rund 4.000 neue Lebensmittel unterschiedlichster Bearbeitungsstufen gelangen jährlich auf den Markt - zu einer schon fünfstelligen Anzahl von vorbereiteten Lebensmitteln. Was dabei wie zu verarbeiten ist beziehungsweise welcher Gerätepark dafür notwendig sei, dafür fehle es häufig an Wissen in den Küchen. Erschwerend kommt die hohe Abbrecherquote von über 50 Prozent im Azubi-Kochhandwerk hinzu; die Personalsituation verlange daher in der Küchen- und Speisenplanung immer häufiger eine Ausrichtung auf ungelernte Kräfte.

Die eigenen Konsummuster überdenken, das war eine der Anregungen aus dem Vortrag von Professorin Carola Strassner von der Fachhochschule Münster. „Wir essen vom Huhn nahezu ausschließlich die Edelteile. Das bewirkt in anderen Ländern Armut." In ihrem Vortrag zur Blackbox „Nachhaltigkeit" stimmte sie mit Luftaufnahmen unserer Erde nachdenklich über das, was wir mit verschiedenen Essstilen auslösen. Ein bedrückendes Bild etwa eine Luftaufnahme von endlos aneinandergereihten, künstlich bewässerten Gewächshäusern für Tomaten, und zwar in den trockensten Gebieten Europas, in Südspanien.  „Es lohnt darüber nachzudenken, wie viel virtuelles Wasser Tomaten und andere Lebensmitteln enthalten sprich wie viel Wasser zur Produktion aufzuwenden ist," so Strassner. „Hier steckt für Wasser das wahre Einsparpotenzial einer Großküche."

Gemeinsam gegen Verschwendung

Ein technisches Novum war die Liveschaltung zur 300 Kilometer entfernt stattfindenden Tagung des Institute of Culinary Art (ICA) in Düsseldorf. Sie brachte Pierre Nierhaus aufs Podium oder besser: auf die Leinwand. Er führte die Auditorien in Würzburg und Düsseldorf zusammen in weltweite Malls, in denen man einen gemeinsamen Lebensstil teilt und verführt werden möchte: per Gastronomie, Düften, Ambiente, Produkten, Service. Hier wird eigentlich alles schick zelebriert - selbst Fast Food. Doch auch hier kocht man, was das Planerische anbelangt, auch nur mit Wasser. Zwar sind die gigantischen Mallgastronomien eine logistische Herausforderung für Planer. Aber manches, was stylisch daherkommt, entspricht, abzüglich der Deko, einer guten Betriebsgastronomie mit einer Linienproduktion in der Ausgabe.

Im Kontrast zu den Konsumwelten in Malls offenbarte Keynote Speaker Professor Hartwig de Haen, Präsidiumsmitglied der Welthungerhilfe, wie es um den Hunger in der Welt steht. Rund 900 Millionen Menschen sind chronisch unterernährt, demgegenüber schaden sich 1,5 Milliarden Menschen durch Überernährung. Die Aussichten sind nicht gut: Im Jahr 2050 kratzt die Bevölkerung an der 10-Milliarden-Marke, und viele Staaten, denen es vom Einkommen her dann besser geht als heute, werden dank eines Fleischkonsums wie hier bei uns ähnlich verschwenderisch mit den landwirtschaftlichen Flächen umgehen. Erschwerend kommt hinzu: Das globale Produktionspotenzial dürfte wegen des Klimawandels sinken, so die düsteren Prophezeiungen. „Hunger und Armut sind nicht Schicksal, sondern von Menschen gemacht," so de Haen. Dazu gehöre auch, hierzulande die immense Verschwendung einzudämmen.

Genau dafür präsentierte Claus-Peter Hanke von Unilever-Food Solutions ein für die Branche geeignetes Instrument: „United against waste". Eine Initiative, der der VdF gerade einen Tag zuvor beigetreten war nach Beschluss durch die Mitgliederversammlung. Die Branchenaktion für den Außerhausbereich hat große Ziele, aber selbst ein minimales Erreichen wäre lohnenswert angesichts der Ausmaße der aktuellen Verschwendung. Nur einige Fakten: 20 Prozent auf dem Teller werden nicht gegessen, sondern landen im Müll. Ein Viertel des weltweiten Wasserverbrauchs wird für den Anbau von Nahrungsmitteln verwendet, die auf dem Müll landen. Zur Klimaerwärmung trägt der Lebensmittelmüll mehr bei als der gesamte Transportverkehr weltweit. Eine Halbierung des Lebensmittelmülls spart ebenso viele Klimagase wie die Stilllegung jedes zweiten Autos. Ein bemerkenswerter Schlusspunkt der Tagung, der verdeutlichte, warum es lohnt, das Ganze zu sehen. Das System Küche ist ein Profitsystem und ein Ökosystem zugleich. VdF-Fachplaner vermögen es verantwortungsvoll zu gestalten.

 

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